Michel de Montaigne und seine Liebe zu den Büchern
Michel Eyquem de Montaigne war ein Philosoph und Begründer der Essayistik.
Michel de Montaigne (1533-1592) lebte auf dem Schloss Montaigne, welches ihm von seinem Großvater vererbt wurde und baute dort seine große private Bibliothek auf, in der er die meiste Zeit seines Lebens verbrachte. Die Bibliothek umfasste ein Wissen aus Philosophie, Geschichte und Religion. Das Interesse an Klassik wurde ihm schon in der Jugend Nahe gelegt. Er hatte Latein als erste Fremdsprache gelernt. Mit 7 oder 8 Jahren hatte er die Metamorphosen des Ovid gelesen und mit 16 hatte er sich die Ausgabe Vergils gekauft und kannte nicht nur die Aeneis, sondern auch die Werke von Platon, Seneca und weitere.
Die Bücher hatten es ihm so angetan, dass er sich nach seiner 13-jährigen Laufbahn aus dem Richteramt zurückzog, um sich ganz der Philosophie und dem Bücherwissen zu widmen.
In einem seiner Essays schreibt Montaigne über die drei wichtigsten Beziehungen, die der Mensch auf Erden haben kann: der mit Freunden, der mit Frauen und der mit Büchern. Nach seiner Ansicht ist die Freundschaft ein seltenes Gut und die Schönheit der Frauen verfällt mit der Zeit, die Bücher jedoch stehen einem immer zur Verfügung.
„Der Umgang mit den Büchern ist sicher und steht mir immer zur Verfügung (…) Er tröstet mich im Alter und in der Einsamkeit. Er befreit mich von der Last der Langweile und des Müßiggangs und von unerwünschter Gesellschaft. Er lenkt ab von den Schmerzen, solange diese nicht zu heftig werden.“
Bücher waren für Montaigne die Quelle zu dem Wissen, das die Menschheit als Spuren in der Geschichte hinterlassen hat. Von dem Gedankengut und der Welt jedes einzelnen zu lernen, gar aufzusaugen, und damit auch die eigenen Gedanken anzuregen, mitzudenken, war der Sinn des Studiums der Bücher.
Montaignes Ansatz war es, die vernunftbasierenden Thesen der klassischen Philosophie zu hinterfragen, in dem er die Menschen und Tiere genauestens beobachtete. Für ihn waren Menschen törichte Wesen, die sich nur teils der Vernunft bedienten. Der Rest des menschlichen Handels beruhte auf ungezügelten Emotionen, wie etwa Ausbrüche und Hysterie.
Tiere hingegen verließen sich sehr stark auf ihre Instinkte und lebten größtenteils in Einklang mit der Natur. Er zweifelte stark die rein vernunftbasierenden Thesen der Philosophie an, denn für ihn war der Mensch mehr als nur Vernunft.
Unbegründetes Vertrauen der Vernunft sei die Quelle der Idiotie und der Unzulänglichkeit.
Durch sein langes Selbststudium der Philosophie und weiterer ökumenischer Schriften kam er zu der Überzeugung, dass das Leben nicht nur auf die Vernunft aufgebaut werden sollte. Der Mensch ist nicht nur ein rein vernunftbegabtes Wesen, sonst würde er nicht den ganzen Tag über teils vernünftig reagieren uns teils töricht oder hysterisch, sondern auch emotionsgeladen, sodass es ein ständiger Kampf ist, das Gleichgewicht zwischen Vernunft und Emotionen zu suchen.
In anderen Worten, wir Menschen maßen uns eine Vollkommenheit, gar Überlegenheit an, die wir mit dieser Auswahl an Eigenschaften nicht erreichen können. Wir fallen eher in die Hybris, die uns, wie wir es aus den Metamorphosen Ovids kennen, in den Fall stürzt.
Die Anerkennung aber, dass wir als Mensch unvollkommen sind, scheint für Montaigne der befreiende Ansatz zu sein, der den Menschen im Schlamassel Erleichterung gewährt.
Vereinen wir nun diese zwei Gedanken, einerseits das Streben nach Wissen durch die Bücher und andererseits der Ansatz, dass der Mensch unvollkommen sei, so geht es Montaigne letztendlich darum, inwieweit dieses Wissen für den Menschen von Nutzen ist. Was genau steigert unser Wohlbefinden? Was können wir tun, um unser stetiges Gefühl der Unvollkommenheit zu erleichtern?
Ist ein Mensch, wie Marcus Terentius Varro, der für Julius Caesar eine Bibliothek zusammenstellte und selbst 600 Werke verfasste und 25 weitere über die lateinische Sprache oder ist Aristoteles, der die Grundlagen der Logik in seiner Nikomachischen Ethik schuf, nun glücklicher oder besser als Mensch auf Erden, als einer der nie mit der Philosophie und anderen Lehren in Berührung kam?
Montaigne untersuchte diesen Ansatz und kam zum Entschluss, dass man zwischen Buchwissen und klugem Lebenswissen entscheidet.
Zu Buchwissen rechnet er Logik, Grammatik, Literatur, Latein und Griechisch während zur Lebensklugheit Erkenntnisse und Wissen, die einem Menschen helfen gut zu leben und glücklich und moralisch zu agieren, zählen.
Montaigne bemängelte, dass ein Mensch zu oft nach seinem Buchwissen gefragt werde und dies voreilig als qualitativ hoch oder niedrig in den Augen anderer angesehen wird. Dieses Ansehen wird oft verwechselt mit der Lebensklugheit, die damit keinesfalls automatisch gegeben sei.
Wir arbeiten ständig daran, unser Wissen vollzustopfen, aber unser Gewissen lassen wir leer.
Die Frage stellt sich hier nach dem besseren für sich lebensnotwendigeren Wissen und nicht nach dem höher angestrebten.
Weisheit setzt weder ein spezielles Vokabular noch eine Syntax voraus. Auch die Sprache muss sich keiner bornierten schwer verständlichen Wörtern bedienen, um als Hochsprache oder hohe Kunst zu gelten.
Montaigne vergleicht dies mit Falschgeld. Unverständlichkeit bietet eine unvergleichliche Deckung, wenn man nichts zu sagen hat. Die Gelehrten bedienen sich dieses Stilmittels, um von der Leere und der Nichtssagung ihres Werkes abzulenken. Und von der menschlichen Dummheit wird es gern als gültiges Zahlungsmittel angenommen. Warum? Ist das die Erziehung der Gesellschaft, der Schulweisheit?
Nach ihm gibt es keinen Grund für die Gelehrten Wörter zu benutzen, die in der normalen Sprache nicht verwendet werden können. In einer leicht verständlichen Sprache zu schreiben erfordert Mut, denn man wird oft als trivial abgestempelt, nicht profund genug.
Montaigne selbst sagt, dass er Bücher liest, die ihn aufheitern, die ihm das Gefühl von Wert vermitteln und er sah davon ab, Bücher weiter zu lesen, die er nach dem zweiten oder dritten Versuch nicht verstand.
Ich selbst lese unendlich gerne Bücher, um so die Welt und die Sprache eines anderen Menschen kennenzulernen und sein Weltbild zu erfassen. Auch ich stieß oft auf Bücher, die für mich auf Anhieb nicht erschlossen werden konnten und gab nach mehrmaligem Durchlesen den Versuch auf. Ich fand es immer sehr schade, mich der Sekundärliteratur bedienen zu müssen, um den Inhalt erfassen zu können.
Als ich bei meiner Philosophierecherche auf diesen Ansatz von Montaigne stieß, musste ich diesen Artikel verfassen, denn ich finde, dass zum Menschsein auch eine gewisse Leichtigkeit gehört, die sich ebenfalls in der Sprache wiederspiegeln lässt.
Wenn ich lese, so tauche ich in die Welt des Autors ein. Eine völlig neue Welt eröffnet sich dem Lesenden, wenn er sich dem Werk des Autors hingibt. Man kann somit diese Welt annehmen, ablehnen, kritisch hinterfragen oder auch begeistert zustimmen. Aber eines haben alle Ansätze gemeinsam, sie regen zum Denken und verstehen an. Sie regen an, ein Stück des Geschehens und der Abläufe auf der Welt besser zu verstehen.
Was ist Schein und was steckt dahinter? Wie berührt uns Sprache und was bietet uns dieses angelernte Wissen? So versuche ich, das angelernte Wissen in die Tat umzusetzen und es auf meinem Lebensweg einbauen zu können.
Wenn wir als Menschen uns nur der Vernunft bedienen, so werden wir schnell arrogant und maßen uns an, der restlichen Schöpfung überlegen zu sein. Die Gewalt der Emotionen, die uns übermannt, die wir lernen müssen zu zähmen - und darunter fällt auch der Versuch, die Lebensweisheit zu erlangen, in dem wir reflektierte Emotionen und Instinkt (die innere Stimme) mit einschalten- hilft uns auf den Boden der Tatsachen zu bleiben und so auch das Leben in der Gänze erfassen zu können.
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