Nietzsche und die Moral
Friedrich Nietzsche, der 1844 in Röcken bei Lützen geboren wurde und ein kurzes, aber intensives Leben bis 1900 führte, war ein postmoderner Philosoph, dessen Thesen kritisch im Hinblick auf die religiöse Treue der Menschen gegenüber der Institution waren. Nicht umsonst kennt man den berühmten Spruch von Nietzsche, „Gott ist tot“, worauf ich aber nicht in diesem Artikel eingehen möchte, denn dies Bedarf einer weiteren Ausholung.
Der Schwerpunkt in diesem Artikel liegt auf seiner Ansicht über die Moral des Menschen. Nietzsche war ein großer Bewunderer von Schopenhauer, dessen Philosophie ihn faszinierte und inspirierte.
Das Leben ist Leiden, war nicht nur für Schopenhauer der rote Faden in seinen Schriften, sondern auch Nietzsche verinnerlichte diesen Leitsatz in seinen Theorien. Das Thema, welches ihn durch sein Leben hinweg beschäftigte, war die Tragik des Schicksals und in welchen Abgrund der Mensch fallen könnte. Das Schöne geht Hand in Hand mit dem Hässlichen. Das Leid ist somit automatisch vorbestimmt. Auch sagt er, genauso wie Schopenhauer, dass das Leid überwiegt. Als ich das Buch „Also sprach Zarathustra“ las, so wurde mir klar, dass Nietzsche kein rein analytischer Philosoph war, der versuchte durch eine kühle Analyse Dingen auf den Grund zu gehen, sondern es war seine dichterische und künstlerische Ader, die zum Vorschein kam, sowie seine Liebe zur Sprache, mit der er oft kokettierte.
Wenn man nun Nietzsche als den der Romantik angehörenden Dichter und Autor sieht, so erfährt man, dass er ein großer Verfechter der individuellen Entwicklung, des Pflegens des eigenen Ichs und beinahe des an Größenwahnsinn angrenzenden Selbstbewusstseins war.
Nietzsche ist ebenfalls ein großer Skeptiker, der die Sittlichkeit, die bisher so in der damaligen Gesellschaft bestanden hatte, zunichte redete und den Menschen hinter den Kulissen der Moral Ohnmacht zusprach. Er verachtete die gesellschaftlich festgelegte Moral und sagte, dass der Mensch sich niemals aus seinen Fesseln lösen könne, wenn er weiterhin der aus dieser Kultur entsprungenen Sittlichkeit Gehorsam leiste. Nietzsche sagt dazu in seinem Buch „Götzendämmerung", S. 92, „die allgemeinste Formel, die jeder Religion und Moral zugrunde liegt, heisst: Thue das und das, lass das und das – so wirst du glücklich!...Jede Moral, jede Religion ist dieser Imperativ, die unsterbliche Unvernunft“
Nietzsche findet, dass der jahrhundertlange Fortbestand der Sittlichkeit, die sich in der Gesellschaft so etabliert hat, eine blinde Gehorsamkeit mit sich bringt. Der wirkliche Zweck der moralischen Handlungen wird in den Hintergrund gedrängt und man pflegt es einfach so zu tun, weil es immer so getan wurde. Die Angst, oder besser gesagt, der innere Widerstand gegen das Hinterfragen der eigentlichen Handlung könnte Unverständlichkeit hervorrufen und man müsste etwas Neues schaffen, anfangen neu zu denken, neu zu definieren.
Er sagt weiter: „Moral ist zunächst ein Mittel, die Gemeinde überhaupt zu erhalten und den Untergang von ihr abzuwehren; sodann ist sie ein Mittel, die Gemeinde auf einer gewissen Höhe und in einer gewissen Güte zu erhalten. Ihre Motive sind FURCHT und HOFFNUNG.“
Grundsätzlich gesehen ist die Moral eine Erscheinung, die natürlichen Gesetzen unterliegt, die Rücksicht auf den Mitmenschen fordert.
Jedoch ist Nietzsches Ansatz ein entgegengesetzter, nach seinen Ansichten sollte man seine Handlungen und seinen Zweck durchsetzen, auch wenn dadurch anderen Leid entsteht.
Mit diesem Ansatz wird jedes moralische Empfinden zerstört, denn er sagt, dass die Moral etwas Hässliches und Egoistisches sei. Der Mensch leugne sich selbst, wenn er diesem gesellschaftlich vorgesetzten Schema folge. Das Einhalten der Moral ist für ihn ein Verzicht auf die Freiheit, es ist eine Grausamkeit, da sie ein persönliches Opfer fordere. Der Mensch sollte sich frei machen, um so wachsen zu können. Wenn man diese Zusammenfassung seiner These so liest, so könnte man denken, dass Nietzsche ein Immoralist gewesen wäre, der den Neubeginn im Zerstörerischen sah, die Moral als Fußfessel.
Wenn man seine Werk „Menschliches Allzumenschliches“ oder „Fröhliche Wissenschaft“ studiert, so taucht man nicht in die pragmatischen Ausführungen ein, sondern hat das Gefühl eine Rebellion gegen das Indoktrinierte zu empfinden, gegen das, was die gesellschaftlich auferlegte Moral mit sich bringen soll, nämlich purer Gehorsam.
Um diesen Kreislauf durchbrechen zu können, sollte man anfangen zu hinterfragen; das Rebellische, das im Umkehrschluss auch etwas Zerstörerische mit sich zieht, sollte im Inneren wie Äußeren mehr Platz gewinnen. Es sollte jenseits von Gut und Böse sein, sondern einfach nur Sein. Die Zeit sollte überwunden werden. (Fröhliche Wissenschaft S. 339/40).
Das Interessante in seinen Schriften ist, dass er per se nicht gegen die Tugend war. Er schreibt: „Man scheue sich nicht, den Weg zu einer Tugend zu gehen, selbst wenn man deutlich einsieht, dass nichts als Egoismus – als Nutzen, persönliches Behagen, Furcht, Rücksicht auf Gesundheit, auf Ruf oder Ruhm – die dazu treibenden Motive sind. Man nennt diese Motive unedel und selbstisch: gut, aber wenn sie uns zu einer Tugend, zum Beispiel Entsagung, Pflichttreue, Ordnung, Sparsamkeit, Maß und Mitte anreizen, so höre man ja auf sie, wie auch ihre Beiworte lauten mögen!“ (Menschliches Allzumenschliches S. 50)
Weiterhin schreibt er auf Seite 385 im gleichnamigen Buch: „Des Tages erster Gedanke. Das beste Mittel, jeden Tag gut zu beginnen ist: beim Erwachen daran zu denken, ob man nicht wenigstens einem Menschen an diesem Tage eine Freude machen könne. Wenn dies als ein Ersatz für die religiöse Gewöhnung des Gebetes gelten dürfte, so hätten die Mitmenschen einen Vorteil bei dieser Änderung.“
Wenn man sich seinen Werken hingibt und sich mit seinen Thesen beschäftigt, so merk man, dass sie eines gemeinsam haben, nämlich die Kritik an der damaligen Gesellschaft, die geprägt war von blindem Gehorsam gegenüber der Kirche, in der Sozialismus seine Anfänge nahm und Götzen wie Vaterland und Kapitalismus langsam erwachten.
Der Terminus Übermensch rührt für mich daher, dass das der Mensch in ständigen Kampf mit sich selbst ist, um sich von den mit Furcht durchtränkten Fesseln der Gesellschaft zu lösen und das Leben genießen zu können. Er nennt dies SKLAVENMORAL.
Und das ist der entscheidende Wendepunkt in seinen Thesen zum Thema Moral. Viele Leser, die Nietzsche studieren, verstehen diesen Punkt meiner Meinung nach nicht ganz. Nietzsche forderte die Menschen nicht auf, willkürlich zerstörerisch mit der Moral umzugehen, sondern aufzuwachen und sich der Sklavenmoral zu widersetzen, auch wenn dies drastische Mittel bedurfte. Dies nicht zu tun, wäre wie nicht in der vollen Blüte zu leben, nicht seiner Gedankenkraft Raum zu geben, dem Menschsein.
Weiterhin...
Das Ziel ist die HERRENMORAL, wie er es nennt. Dazu gehört es, dass man seine Handlungen ohne Rücksicht auf den Nutzen beurteilt. Man selbst entscheidet, ob eine Handlung gut oder schlecht sei, so wie es die Mächtigen und Starken in der Gesellschaft tun. Man selbst entscheidet, ob die Handlung von Nutzen und nicht eine indoktrinierte Gesellschaftsmoral sei.
Die Herrenmoral ist aus einem unabhängigen Stärkegefühl entsprungen. Nietzsche, der ein Befürworter des Individualismus ist, führt in seiner These aus, dass jedes Individuum seine selbst definierte Herrenmoral erlangen kann, indem es seine Entwicklung als Mensch in den Vordergrund stellt. Und so kommen wir auch zu dem Anfangspunkt zurück: „Gott ist tot“ ist nicht das Ende der Gottheit, der Schöpfung, einer Allmacht, sondern das Ende der Institution, die es versagt hat, Menschen frei in ihren Gedanken leben und blühen zu lassen.
Wie sehr Ihr das? In meinem zweiten Artikel werde ich das Thema Übermensch von Nietzsche behandeln.
Freue mich auf Feedback.

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